Lernpsychologie

Während die Mediendidaktik die Perspektive der Lehrenden einnimmt, beziehen sich lerntheoretische Ansätze entweder nur auf die Lernenden oder auf das Verhältnis von Lehrenden und Lernenden. Im Folgenden sollen deshalb die wichtigsten Ansätze bezüglich Lerntheorien vorgestellt werden, die im Zusammenhang mit einer Veränderung der Lernkultur in Schule und Unterricht als bedeutsam angesehen werden. Üblicher Weise werden in diesem Zusammenhang meist behavioristische als auch kognitivistische Ansätze genannt. Auf diese werden wir hier nicht eingehen, da sie für das Lernen mit digitalen Medien als innovative Ansätze jedenfalls nicht relevant sind. Nur um dies zu verstehen

Im Rahmen eines verhaltenswissenschaftlichen (behavioristischen) Verständnisses des Lernprozesses wird angenommen, Lernen sei der Erwerb von Reiz-Reaktionsverbindungen und Lernprozesse ließen sich über den Mechanismus der Verstärkung (z.B. durch Lob und Strafe) beeinflussen. Interne Verarbeitungsprozesse des Lernenden werden in diesem Ansatz nicht näher betrachtet. Eine Lehrperson, die von einem solchen Lernverständnis ausgeht, wird klare Arbeitsaufträge erteilen und deren Erledigung mit Lob und Tadel begleiten. Er wird sich als Leiter und Gestalter der Lernsituation betrachten, der die Lernprozesse seiner Schüler „arrangiert“ indem er Vorgaben macht und von ihm festgelegte Maßstäbe umsetzt. Er wird sich als Agierenden und die Schüler als Reagierende wahrnehmen.

Dieser Ansatz wird mit dem Black-Box-Modell verbunden, demnach Lernen als Verhaltensänderung durch ein Reiz-Reaktions-Schema verstanden wird, bei dem die ‚inneren’ Prozesse nicht erforschbar sind.

Dieses Verständnis wurde im Rahmen der „kognitiven Wende“ in der Erziehungswissenschaft von einem kognitivistischen Verständnis abgelöst. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass die Lernenden Informationen aktiv verarbeiten. Der Lernprozess ist durch ein Wechselverhältnis zwischen „äußerem“ Lernangebot und „innerem“ Verarbeitungsprozess des Lernenden gekennzeichnet, innerhalb dessen der Lernende eine aktive Rolle einnimmt und selber Schwerpunkte setzt oder Entscheidungen trifft.

Ein Lehrer, der sich an kognitivistischer Lerntheorie orientiert, wird seinen Schülern Informationen anbieten, die diese verarbeiten sollen. Dabei wird er versuchen, sein Angebot möglichst interessant und ansprechend zu gestalten, damit die Schüler sich entscheiden, „am Ball zu bleiben“. Er wird die Lernsituation so gestalten, dass die Vermittlung des von ihm bereitgestellten Wissens möglichst effektiv gelingt.: der Behaviorismus versteht den Menschen als Black Box und das Lernen als die Verbindung eines Reizes mit einer bestimmten Reaktion. Der Kognitivismus interessiert sich für Prozess der Informationsverarbeitung beim Lernen, indem bestimmte Input-Informationen zu einem Output geführt werden. Wir werden uns den Konstruktivismus sowie den Konnektivismus beschränken, da beide Ansätze als einen Perspektivenwechsel bezüglich des Lernens mit digitalen Medien gesehen werden.

Was zeichnet nun einen konstruktivistischen Ansatz bzw. eine konstruktivistische Didaktik aus? In der gegenwärtigen Diskussion um Lehren und Lernen wird häufig auf ein konstruktivistisches Verständnis zurückgegriffen. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass der Erwerb von Wissen als Konstruktionsleistung des Lernenden gedacht wird. Wissen wird nicht angeeignet, aufgenommen oder eingeordnet, sondern kann nur individuell konstruiert werden. Der Grundgedanke des Konstruktivismus ist der, dass es keine unabhängige „Wirklichkeit“ gibt, die sich über einen neutralen oder objektiven Zugang erkennen oder erreichen ließe. „Wirklichkeit“ existiert vielmehr nur über jeweils individuelle Zugriffe, im Rahmen derer jeder einzelne seine Wirklichkeit konstruiert. Analog zu dieser Vorstellung gibt es auch kein Wissen „an sich“, das einfach von einem Lehrer an einen Schüler weitergegeben werden könnte. Ein einfacher Wissenstransfer vom Lehrer zum Schüler ist also nicht möglich. Ein Lehrer, der diesem Verständnis folgt, wird versuchen die Schüler zur Wissenskonstruktion anzuregen. Er wird ihnen die Möglichkeit bieten, selber aktiv zu werden und in der Begegnung mit verschiedenen Gegenständen Wissen aufzubauen. Seine Rolle wird vor allem darin bestehen Lerngelegenheiten anzubieten und die Schüler bei der Auseinandersetzung mit diesen zu begleiten und zu beraten. Lernen wird prozesshaft als die Auseinandersetzung des Subjekts mit seiner Umwelt gesehen.

In den lerntheoretischen Debatten wird bereits seit langem die Kluft zwischen Wissen und Handeln thematisiert. Seit den letzten zwei Jahrzehnten findet erneut eine verstärkte Suchbewegung statt, dem Problem der fehlenden Anwendung von Wissen zu begegnen und zu Aussagen über die Gestaltung von Lernumgebungen zu kommen, die einen flexiblen Umgang mit Wissen befördern. Insbesondere die kontroverse Auseinandersetzung zwischen Vertretern des Instructional Design-Ansatzes in den USA und Vertretern des aufkommenden Konstruktivismus in den achtziger Jahren erwies sich für die Diskussion als fruchtbar und brachte entscheidende lerntheoretische Weiterentwicklungen auf den Weg (Reinmann-Rothmeier/Mandl 2001). Während die eine Seite die Suche nach allgemeinen Gesetzmäßigkeiten, nach „Masterplänen“ für das Lernen und Unterrichten in den Vordergrund stellte, ging die andere Seite von der Autonomie des Lernenden aus, der sich gemäß seinen Bedürfnissen und Voraussetzungen Wissen eigenständig aneignet. Gegenwärtig hat eine integrierte Position im Sinne „konstruktivistischer Instruktionsansätze“ zunehmend Akzeptanz gefunden. Weder wird davon ausgegangen, dass zur Vermeidung trägen Wissens einfache Antworten in Form standardisierter Regeln (die in Instruktionsplänen niedergeschrieben werden) gegeben werden können, noch wird alleinig auf die Konstruktionsleistungen der Lernenden vertraut.

Der Blick auf die aktuell die Diskussion bestimmenden lerntheoretischen Ansätze und Modelle zwischen Instruktion und Konstruktion bringt eine interessante Gemeinsamkeit zu Tage: Es wird einvernehmlich davon ausgegangen, dass sich Lernerfolge beim Lernenden an dessen Fähigkeit zur Bearbeitung von Problemen bemessen lassen.

Gelang es dem Lerner, ein komplexes Problem in angemessenen Schritten zu bearbeiten? Zieht er hierfür relevantes Wissen heran? Ist der Lerner in der Lage, sein Wissen auf ein reales Problem anzuwenden? Ob ein Lernprozess als erfolgreich beurteilt werden kann, hängt nach Ansicht der meisten zeitgenössischen Vertreter lerntheoretischer Ansätze von der Fähigkeit des Lernenden zum Umgang mit realitätsnahen, authentischen Problemen und zur Problembearbeitung ab.